Was machst du bei der Spielgestaltung?

Wir haben schon im Kapitel Spielgestaltung gesagt, dass die Gruppe sich gemeinsam überlegen muss, welches Setting bespielt werden soll. Die Spielwelt wird also von dir und deinen Spielern größtenteils gemeinsam erschaffen. Als SL solltest du bei diesem Prozess also möglichst offen für neue Ideen sein, aber auch deine eigenen Ideen großzügig einbringen. Das Gleiche gilt natürlich auch für die Spieler. Nimm die Ideen deiner Gruppe an, spiele mit ihnen herum, verändere und erweitere sie. Deine Spieler werden sich mehr ins Spiel einbringen, wenn sie das Gefühl haben, dass sie ganz entscheidend bei der Entstehung mitgewirkt haben.
Wenn du schon eine konkrete Idee hast, was du gern leiten würdest, lass dich nicht aufhalten und schlag sie der Gruppe vor. „Okay, ich würde gern eine Geschichte in den ‘60ern im Kalten Krieg leiten, aber mit Mechs und Steampunk. Alles klar?“ Wenn du das so machst, solltest du aber sicher gehen, dass alle damit einverstanden sind. Ein einziger Spieler, der das Ganze nicht so spannend findet und sich eigentlich auch gar nicht darauf einlassen will, kann euch die ganze Stimmung verderben.

Weit hergeholt oder eher bodenständig?

Wenn wir gerade von Steampunk-Mechs in einer 60er-Jahre-Sowjetunion sprechen – es ist eine gute Idee, sich Gedanken darüber zu machen, wie weit hergeholt die Spielwelt denn nun sein soll. Solche Konzepte und Ideen machen einen Haufen Spaß, aber wenn sie zu absurd sind, wird es für die Spieler schwierig, sich richtig darauf einzulassen und nachzuvollziehen, was du überhaupt mit der Spielwelt vorhast. Es gibt da keine klare Antwort: Wie weit du gehen kannst, bevor es zu absurd wird, ist von Gruppe zu Gruppe (und von Spieler zu Spieler) verschieden. Mach dir aber klar, dass jede Abweichung von der Realität oder von gängigen Genrekonventionen das Potential hat, deine Spieler zu verwirren und vor eine geistige Hürde zu stellen. Geh sicher, dass ihr alle versteht, wie die Spielwelt funktionieren soll, und dass alle wichtigen Fragen zum Konzept schon im Vorfeld beantwortet werden.
Andererseits kannst du das Spiel natürlich auch ganz bodenständig gestalten, nämlich in der realen Welt, mit nur ein oder zwei kleinen Abweichungen. Die Auswirkungen dieser Abweichungen bieten sich dann natürlich als Spielmaterial an. So eine Spielwelt stellst du am besten vor, indem du einen Ort und eine Zeit benennst, die alle kennen, und dann erzählst, welchen Unterschied zur realen Welt es gibt. Als Beispiele: „Stellt euch das wie das moderne London vor, aber Roboter sind ganz alltäglich“ oder „Das Ganze spielt direkt nach dem Zweiten Weltkrieg in Los Angeles, und einige der Veteranen, die aus dem Krieg heimkehren, haben Superkräfte“.

Von oben nach unten oder umgekehrt

Wie groß soll eure Spielwelt überhaupt werden? Wie geht ihr die Gestaltung an? Manche Leute arbeiten gern zunächst mit groben Pinselstrichen, legen die gesamte Welt fest und arbeiten sich von da aus zu den Details vor. Andere fangen lieber mit der unmittelbaren Umgebung an und entwickeln daraus ein Gesamtbild der Welt. Wir nennen das „von oben nach unten“ beziehungsweise „von unten nach oben“.
Keine der beiden Methoden ist der anderen überlegen, beide haben Vor- und Nachteile.
Wenn ihr von oben nach unten arbeitet, legt ihr einen Großteil der Spielwelt bereits im Vorfeld fest – wer ist mächtig und bedeutend? Wo liegen die wichtigsten Städte? Welche Organisationen sind besonders wichtig? Das hat den Vorteil, dass ihr sofort seht, wie die Welt zusammenpasst und funktioniert. Wenn ihr zum Beispiel festgelegt habt, dass es im Königreich Talua ständig Streitigkeiten zwischen den mächtigen Fünf Häusern gibt, dann ist sofort klar, dass alle bedeutenden Personen in Talua wahrscheinlich einem dieser Häuser angehören – und dass es einen guten Grund geben sollte, wenn sie es nicht tun.
Aber wenn ihr nicht mit einer vorgefertigten Welt aus einem Film, einer Serie, einem Buch, einem Computerspiel oder ähnlichem arbeitet, dann ist das im Vorfeld sehr viel Arbeit – das ist der Nachteil dieser Methode. Außerdem heißt es, dass die Spieler viel Vorwissen über die Spielwelt mitbringen sollten, und das wirkt häufig eher abschreckend. Aber wenn alle die Spielwelt kennen und verstehen, kann das ein sehr unterhaltsames und lohnendes Spiel werden.
Wenn ihr die Spielwelt von unten nach oben entwickelt, fangt ihr mit den Sachen an, die für die SCs unmittelbar wichtig sind. Das können ein paar NSCs aus ihrer Heimatstadt sein, oder vielleicht der Name ihres Kollegen im Büro nebenan. Die Details werden festgelegt, während sich die Geschichte entfaltet. Ihr müsst nicht wissen, welche Sachen wie in die Welt passen – das denkt ihr euch während des Spiels einfach aus. Ihr fangt an einem Startpunkt an, und von da aus wird die Welt immer größer.
Das erfordert allerdings ziemlich viel Improvisationstalent und Spontaneität von allen, sowohl von der SL als auch den Spielern – das ist der Nachteil dieser Methode. Für dich als SL ist das vielleicht keine große Sache – du musst bei jedem Spiel immer irgendwo improvisieren und dir spontan Dinge ausdenken – aber nicht alle Spieler sind bereit, so viel Verantwortung im Spiel auf sich zu nehmen. Außerdem konzentrieren sich manche Spieler lieber auf ihren Charakter und wollen die Welt durch seine Augen sehen und erleben. Da stört es sie, wenn sie diese Immersion unterbrechen müssen, um sich einen Namen für die magische Axt auszudenken, die sie gerade gefunden haben, oder um dir zu erklären, was mit dem letzten Schatten-Oberhaupt des CIA passiert ist.
Fate kann mit beiden Methoden umgehen. Da das System aber Eingaben der Spieler in die gemeinsame Fiktion in Form von Aspekten und hinzugefügten Details unterstützt, funktioniert die Methode von unten nach oben hier besonders gut. Wenn ihr ohnehin so spielen wolltet – super! Wenn nicht, kein Stress, aber vielleicht wollt ihr es ja irgendwann mal ausprobieren.

Tragweite – wie episch darf es denn sein?

Im Kapitel Spielgestaltung haben wir schon ein paar Dinge über die Tragweite des Spiels gesagt, aber das Thema ist einen genaueren Blick wert.
Wie schon erwähnt, beschäftigt sich ein Spiel mit geringer Tragweite hauptsächlich mit Ereignissen, die unmittelbar mit den SCs zusammenhängen, und spielt in einem überschaubaren örtlichen Rahmen. Spiele mit großer Tragweite machen genau das Gegenteil: Es geht um epische Geschichten, die Nationen, Welten oder sogar Galaxien umfassen und die sich um welterschütternde Ereignisse drehen. Beides macht viel Spaß – es kann genau so befriedigend sein, die Kaiserin des Groß-Galaktischen Reiches zu werden wie die Hand des hübschesten Mädchens im Dorf zu gewinnen.
Allerdings heißt das nicht, dass ein Spiel nur entweder geringe oder große Tragweite haben darf. Hier ein paar Ideen, wie man beides miteinander kombinieren kann:

  • Fangt klein an und entwickelt euch: Das ist die klassische Heldengeschichte, in der eine ganz gewöhnliche Person ohne weitere Ambitionen plötzlich in große Ereignisse verwickelt wird, denen sie überhaupt nicht gewachsen scheint. Denk an Luke Skywalker in Star Wars: Eine neue Hoffnung. Am Anfang ist er ein unwichtiger Feuchtigkeitsfarmer, der mit einer T-16 durch die Gegend rast und ab und zu ein bisschen Ärger auf der Tosche-Station hat. Dann tauchen zwei Droiden auf und führen ihn zu einem Rätsel: Wer ist dieser Obi-wan Kenobi? Bevor er sich versieht, ist er mit einem Schmuggler unterwegs, rettet eine Prinzessin und gewinnt eine wichtige Schlacht gegen das Imperium. Das ist der ganz klassische Verlauf einer Geschichte mit geringer Tragweite, die sich dann zu einer epischen Saga entwickelt.
  • Höhen und Tiefen: Hier wechselst du zwischen geringer und großer Tragweite hin und her. Die Ereignisse mit geringer Tragweite sind dabei eine Art Ruhepause. Bei Geschichten mit großer Tragweite geht es normalerweise darum, einen Staat zu lenken, Planeten zu erobern, undenkbare Wesen aus dem Jenseits zu verbannen und so weiter. Die Geschichten mit geringer Tragweite drehen sich dann eher um persönliche Probleme, mit wenigen oder gar keinen Verbindungen zu den welterschütternden Ereignissen, die sich um die Charaktere herum entfalten. Zum Beispiel könntet ihr ein paar Sitzungen damit verbringen, euch mit dem Großkaiser anzulegen. Dann aber schaltet ihr einen Gang zurück und beschäftigt euch mit dem Verhältnis eines Charakters zu seinem entfremdeten Vater oder helft einem Freund in Not. Diese Ereignisse mit geringerer Tragweite sind eine Art Ruhepause innerhalb des epischen Bogens, den die Geschichte schlägt. Hier haben die Spieler die Möglichkeit, eine bislang unerforschte Seite an ihrem Charakter zu entdecken. Und wenn du die Geschichten mit geringer und großer Tragweite dann später doch miteinander verbindest, wird das Ergebnis für die Spieler sicherlich noch befriedigender.

Brauchst du Extras?

Gibt es in deinem Setting Superkräfte, Magie, High-Tech-Geräte oder andere außergewöhnliche Sachen? Überleg dir am besten, wie du solche ungewöhnlichen Dinge regeln willst, bevor ihr anfangt zu spielen. Im Kapitel Extras findest du mehr darüber, was Extras eigentlich sind und wie du sie am besten an dein Spiel anpasst.