Handlungsfragen stellen

Jetzt, wo du ein wirklich griffiges Problem hast, kannst du die Situation ein bisschen ausarbeiten und genau herausfinden, was bei deinem Szenario gelöst werden soll – mit anderen Worten: Was ist der Kern des Problems?
Das tust du in diesem Schritt: Du erschaffst eine Reihe von Fragen, die von deinem Szenario beantwortet werden sollen. Wir nennen das Handlungsfragen, weil die Handlung ganz natürlich entstehen wird, wenn du sie beantwortest.
Je mehr Handlungsfragen du hast, desto länger wird dein Szenario dauern. Ein bis drei Handlungsfragen lassen sich wahrscheinlich in einer Sitzung beantworten. Vier bis acht dauern normalerweise zwei oder sogar drei Sitzungen. Wenn du mehr als acht oder neun Fragen hast, dann musst du vielleicht ein paar von ihnen für das nächste Szenario aufsparen. Das ist aber gar nicht schlimm.
Wir empfehlen, die Handlungsfragen als Ja-Nein-Fragen zu stellen, im grundsätzlichen Format „Kann / wird (Charakter) es schaffen, (Ziel) zu erreichen?” Du musst dieser Formulierung nicht genau folgen, und du kannst das Format der Basisfrage noch ausschmücken. Das zeigen wir dir gleich.
Jedes Problem, das dir einfällt, wird eine sehr offensichtliche Handlungsfrage mitbringen: „Können die SCs das Problem lösen?” Das musst du irgendwann wissen, aber du willst nicht direkt so weit nach vorne springen – das ist schließlich das Finale deines Szenarios. Stelle vorher andere Fragen, um dem Szenario Nuancen und Komplexität zu verleihen und um zu dieser abschließenden Frage überzuleiten. Finde heraus, was es schwierig macht, das Problem zu lösen.
Um Handlungsfragen zu finden, wirst du das Problem, das dir eingefallen ist, wahrscheinlich ein bisschen ausschmücken und die W-Fragen beantworten müssen (wer, was, wann, wo, warum und wie). Das ist super, und zu einem guten Teil geht es in diesem Prozess darum.

Eine Arkane Verschwörung: Probleme und Handlungsfragen
Cynere ist eine Diebische Elster und Zird hat Rivalen bei den Collegia Arcana, >, daher leuchtet es ein, dass der Reichtum der Collegia Cynere zu einem Zeitpunkt ins Auge fällt, der für Zird unangenehm ist. Aus diesem Grund wäre es wahrscheinlich ein großes Problem für die beiden, wenn Cynere den lukrativen Auftrag erhalten würde, einen der heiligen Schätze der Collegia zu stehlen, und zwar genau dann, wenn Zirds Rivalen versuchen, ihn wegen Verbrechen gegen die Schöpfung vor Gericht zu stellen.
Die offensichtlichen Handlungsfragen bieten sich an: Wird Cynere den Schatz bekommen? Wird Zird seinen Prozess gewinnen? Sabine will diese Fragen aber bis zum Ende aufsparen, daher überlegt sie sich noch ein paar andere.
Erst einmal weiß sie gar nicht, ob sich Cynere freiwillig in diese Situation begeben wird, also fängt sie da an: Wird Cynere den Auftrag annehmen? Wird Zird den Collegia erlauben, ihn zu verhaften, oder wird er sich wehren?
Dann muss sie herausfinden, warum sie das Problem nicht direkt angehen können. Sie beschließt, dass Cynere einen anonymen Rivalen um den Schatz hat (nennen wir ihn das Juwel von Aetheria, das hat einen netten Klang) und dass ihr mysteriöser Auftraggeber höchst unerfreut wäre, wenn der Rivale ihr zuvorkommen würde.
Zird muss sich in der Zwischenzeit um einen Rechtsbeistand kümmern, der nicht Teil der Verschwörung gegen seine Person ist. Außerdem will er wahrscheinlich genau herausfinden, wer diesmal hinter ihm her ist.
Das gibt uns drei weitere Fragen: Kann Cynere herausfinden, wer ihr Rivale ist, bevor er sie entdeckt? Kann Zird einen Verbündeten bei den Collegia finden? Kann Zird die Strippenzieher der Verschwörung ausfindig machen, ohne mit weiteren Konsequenzen rechnen zu müssen?
Dann, weil sie ein bisschen Spannung zwischen den beiden haben will, noch eine Frage, die mit der Beziehung der beiden zu tun hat: Wird Cynere Zird im Stich lassen, um ihre Ziele zu erreichen?

Du siehst, dass jede dieser Fragen das Potential hat, die Handlung des Szenarios deutlich zu beeinflussen. Wenn Zird beschließt, nicht freiwillig mitzukommen, hast du gleich zu Beginn eine ganz andere Situation, als wenn er sich freiwillig in Haft begibt. Wenn Zird bei seinen Nachforschungen verhaftet wird, dann ist die Verhandlung vielleicht hinfällig. Wenn Cynere beschließt, Zird zu helfen statt das Juwel zu stehlen, dann haben sie mit Cyneres Auftraggeber ein weiteres Problem.
Beachte auch, dass ein paar dieser Handlungsfragen das grundlegende Muster von “Kann X es schaffen, Y zu erreichen?” auf eine weitere Art ein wenig modifizieren. Der Grund, aus dem du das machst, ist derselbe, aus dem du manchmal nicht würfeln lassen willst – ein schwarz-weißer Erfolg oder Fehlschlag ist nicht immer interessant, besonders der Fehlschlag nicht.

Wenn du eine wirklich große Zahl von Handlungsfragen findest (so um die acht oder mehr), vergiss nicht, dass du sie nicht zwingend alle in einem Szenario beantworten musst – du kannst die Fragen, die du nicht beantwortest, als Andeutung auf künftige Probleme einbauen, oder du kannst Sachen vorbereiten, die du im folgenden Szenario machen willst. Genauso schaffst du es übrigens auch, starke Handlungsbögen zu erschaffen – du hast einen Haufen verwandter Handlungsfragen und verwendest zwei oder drei Szenarien, um sie alle zu beantworten.

Schau dir eine der Fragen für Cynere an: „Wird Cynere die Identität ihres wichtigsten Rivalen um das Juwel aufdecken, ehe ihr Rivale sie entdeckt?” Ohne den betonten Teil wäre die Frage ein bisschen langweilig – wenn sie die Identität ihres Feindes nicht aufdeckt, dann haben wir den Handlungsfaden eigentlich nur fallen gelassen, und dieser Teil des Spiels läuft ins Leere. Das ist nicht gut.
So wie wir es formuliert haben, haben wir immer noch Möglichkeiten, selbst wenn Cynere sich in diesem Teil des Szenarios nicht gut anstellt – sie weiß vielleicht nicht, wer ihr Rivale ist, aber ihr Rivale weiß jetzt, wer sie ist. Was auch immer mit dem Juwel passiert, der Rivale kann in zukünftigen Szenarien zurückkehren und sie heimsuchen. Oder wir gehen davon aus, dass wir Cynere seine Identität irgendwann enthüllen werden, aber wir können trotzdem eine straffe Reihe von Konflikten und Wettstreiten machen, bei denen die beiden gegenseitig ihre Fähigkeiten ausspionieren, bevor es zu dieser Enthüllung kommt.
Es lässt auch noch ein bisschen Freiraum, um Material aus diesem Szenario für die Zukunft zu erweitern. Vielleicht wird die Frage nach der Identität von Cyneres Rivalen in dieser Sitzung gar nicht beantwortet – das ist in Ordnung, weil es ein Detail ist, das Sabine in einer späteren Sitzung wieder ins Spiel bringen kann.