Das Horror-Paradox

Auf den ersten Blick ist Fate schlecht für das Horror-Genre geeignet. Der Grund steht direkt in der Einleitung von Fate Core: „Es funktioniert aber am besten in Spielwelten, in denen die Charaktere aktive und kompetente Leute sind, die ein dramatisches Leben führen.“ Aber bei Horror geht es perfiderweise darum, dass die Charaktere in tödliche, unausweichliche Umstände gebracht werden, die sich ihrer Kontrolle entziehen. Im Horror-Genre sind Charaktere oft dazu gezwungen, zu reagieren statt zu agieren. Trotz ihrer Fähigkeiten müssen sich die Charaktere oft Gefahren stellen, die weitaus mächtiger sind als sie. Sie sind einfach nicht kompetent genug, um zu gewinnen. Die Niederlage scheint unausweichlich. Jeder Erfolg fordert einen hohen Preis. Die Charaktere können nicht einfach vorstürmen und den Sieg davontragen, sie müssen sich darauf konzentrieren, die nächsten paar Minuten zu überleben und zu entkommen.

Wie bringen wir diese beiden Sichtweisen zusammen? Wie nehmen wir ein System, das für aktive, fähige Charaktere gebaut ist und passen es auf die Bedürfnisse des Horror-Genres an? Das ist das Horror-mit-Fate-Paradox. Und hier kannst du sehen, wie wir es lösen.

Elemente des Horrors

Bei Horror geht es darum, dass die Spieler instinktiv und emotional auf das Spiel reagieren. Das System ist absolut dazu in der Lage, das zu leisten, aber es braucht deine Hilfe. Für die Bedürfnisse dieses Toolkits ist Horror eine Kombination aus bedrückender Atmosphäre, unmöglichen Umständen und totaler Verzweiflung.

Bedrückende Atmosphäre

Oft reizen: Es geht beim Reizen nicht darum, Ergebnisse zu erzwingen, aber es ist ein gutes Werkzeug, wenn du dafür sorgen willst, dass Dinge richtig schief gehen. Also benutze es oft. Gib Szenen, der Geschichte, der Kampagne Aspekte – und reize sie, damit die Dinge für alle schief gehen. Wenn du einfach Der Tod holt jeden auf die Geschichte legst und den Aspekt genau zum schlechtesten Zeitpunkt für die Spieler reizt, um die Sache noch mal ein Stück schlimmer zu machen, bringt dich das schon viel weiter. Ja, klar, die betroffenen Spieler bekommen ein paar Fate-Punkte – die werden sie auch brauchen, um zu überleben. Aber sie können sich der emotionalen Wucht des Augenblicks vermutlich trotzdem nicht entziehen. Und sie werden sich fragen, was als nächstes gereizt wird. Tu ihnen weh. Lass sie sich Sorgen machen.

Wege in die Finsternis: Du kannst Atmosphäre nicht nur mit Aspekten erzeugen. Arbeite mit Hindernissen und Zonen. Es ist niemals einfach, vor dem Horror davon zu laufen, also versperre den Weg zur Rettung mit Hindernissen (mehr zu Hindernissen findest du weiter unten). Wenn du deine Zonenkarten zeichnest, mach sie klaustrophobischer als sonst. Zeichne mehr Zonen auf weniger Raum. Die räumlichen Entfernungen sind zwar nicht anders, aber es ist im Horror-Genre einfach schwieriger, von den gefährlichen Orten wegzukommen. In einem gewöhnlichen Haus ist die Haustür vielleicht nur eine Zone weit weg. In einem Spukhaus? Da sind es wahrscheinlich eher fünf oder zehn… und lass sie niemals den ganzen Weg sprinten.

Unmögliche Umstände

Nur weil die Charaktere mächtige Protagonisten sind, muss die Sache nicht leicht für sie sein. Wenn ein Hindernis eine Schwierigkeit hat, die zwei höher ist als die Fertigkeit, mit der sie überwunden werden soll, ist es wahrscheinlich, dass ein Aspekt eingesetzt werden muss. Wenn die besten Fertigkeiten der Spieler Gut (+3) oder Großartig (+4) sind, dann sollten die leichtesten Schwierigkeiten in diesem Bereich liegen oder höher sein. Sei hier hart. Zieh die Daumenschrauben an!

Wenn die Schwierigkeiten hoch sind, dann ist es viel wahrscheinlicher, dass die Spieler versagen. Du musst hier dafür sorgen, dass das nicht dazu führt, dass die Spieler gelähmt und apathisch werden, also verwende die Alternative „Erfolg mit einem Haken“. Das darf keine lahmer Gummihaken sein, er muss unangenehm sein und soll weh tun. Die Spieler sollten die kalte Hand des Horrors spüren, wenn sie sich auf dem Haken aufspießen. Bei jedem Schritt nach vorn vergießen sie ein bisschen mehr Blut. Der Tod kommt häppchenweise.

Bei Kämpfen gegen unmöglich harte Feinde wollen deine Spieler sicher gern aufgeben, um ein bisschen Kontrolle über die Situation zu haben. Es gibt keinen Grund, das nicht zu akzeptieren, aber du solltest immer dafür sorgen, dass es wirklich weh tut. Auch hier hat die Sache einen Haken und sie sollten spüren, wie er in ihr Fleisch beißt.

All das bringt die Spieler an den Rand der Verzweiflung. Also…

Totale Verzweiflung

Verzweiflung entsteht, wenn ohnehin knappe Ressourcen bedroht werden und harte Entscheidungen unter hohem Druck gefällt werden müssen. Zu den knappen Ressourcen der Spieler gehören Fate-Punkte, Stress und Konsequenzen. Mach sie knapper, aber nimm sie nicht ganz weg. Du hast folgende Möglichkeiten.

  • Niedrige Erholungsrate: Wenn die Spieler nur wenige Fate-Punkte haben, dann fühlen sie sich wertvoller an. Natürlich müssen sie diese ausgeben, um einen eindeutigen Erfolg zu erringen – oder überhaupt irgendeinen Erfolg. Die Anspannung bei dieser Entscheidung führt zu Unruhe und Beklemmung.
  • Minimale Stressbalken: Gib ihnen nicht mehr als ein oder zwei Kästchen, wenn sie überhaupt welche bekommen. Im Horror-Genre sollten Charaktere keinen wirklichen Puffer haben, ehe sie beginnen, kaputt zu gehen und zu bluten. Verwende am besten auch einen geistigen Stressbalken oder sogar einen Trauma-Stressbalken, denn dann sind anhaltende Geistesstörungen, Schrecken und Wahnsinn nicht mehr weit weg.
  • Schwächere Konsequenzen: Du könntest dafür sorgen, dass Konsequenzen weniger Schaden absorbieren. Der Standard ist –2/–4/–6 für leichte, mittlere und schwere Konsequenzen, das ist ganz anständig. Bei einem Horror-Spiel könntest du diese Werte halbieren oder einfach –1/–2/–4 nehmen. Du musst einen Charakter nicht mehr besonders hart treffen, um ihm wirklich weh zu tun. Dadurch wird jeder Konflikt gefährlicher.

Kombiniere diese Regelvarianten mit harten Entscheidungen, die die Charaktere unter Druck fällen müssen. So können sie keinen sauberen, einfachen Sieg erzielen. Schließlich sind auch die SC selbst eine begrenzte Ressource. Sie können nicht an zwei Orten gleichzeitig sein. Druck entsteht, wenn wenig Zeit zur Verfügung steht. Zeit ist die letzte begrenzte Ressource, die du als SL kontrollieren kannst. In einem Horror-Spiel sollten die Charaktere niemals genug Zeit haben.

Gib deinen Spielern also zu viel zu tun und nicht genug Zeit dafür. Die Leute und Dinge, die den Charakteren wichtig sind, sind auch eine begrenzte Ressource. Für die SL ist es oft leichter, sie zu bedrohen als die Charaktere selbst. Rette deinen Ehemann oder dein Kind, aber du kannst nicht beide retten – du bist allein und es gibt zwei Bomben an gegenüberliegenden Seiten des Hauses.

Deine Spieler werden dich dafür hassen. Und wenn sie gekommen sind, um sich wirklich auf den Horror einzulassen, werden sie dich dafür auch lieben und dabei die ganze Zeit vor Angst schreien.