Was ist eine Szene?

Eine Szene ist eine Einheit der Spielzeit, die von ein paar Minuten bis zu einer halben Stunde und mehr dauern kann, und in der die Spieler versuchen, ein Ziel zu erreichen oder etwas anderes Relevantes für das Szenario zu schaffen. Zusammen genommen ergeben die Szenen, die ihr spielt, eine ganze Spielsitzung, und somit letztlich auch eure Szenarien, Handlungsbögen und Kampagnen.
Du kannst die Szene als die grundlegende Einheit der Spielzeit betrachten, und du hast wahrscheinlich schon eine ganz gute Vorstellung, wie eine Szene aussieht. Es ist nicht viel anders als eine Szene in einem Film, einer Fernsehserie oder einem Roman – die Hauptcharaktere handeln Dinge in einem kontinuierlichen Zeitablauf ab und bleiben dabei normalerweise am selben Ort. Wenn die Handlung ein neues Ziel hat, sich an einen neuen Ort verlagert oder einen Zeitsprung hinlegt, dann bist du in der nächsten Szene.
Als SL gehört es zu deinen wichtigsten Aufgaben, zu bestimmen, wann Szenen enden und beginnen. Am besten hältst du den Rhythmus der Geschehnisse unter Kontrolle, wenn du genau bestimmst, wann eine Szene beginnt oder endet – lass die Sache weiterlaufen, solange die Spieler interessiert sind und Spaß haben, aber sobald der Schwung nachlässt, mach mit der nächsten Sache weiter. In diesem Sinne ist deine Aufgabe hier nicht viel anders als das, was ein guter Cutter beim Film macht – du „schneidest” eine Szene und fängst eine neue an, damit die Geschichte weiterhin geschmeidig läuft.

Szenen beginnen

Wenn du eine Szene beginnst, kläre zwei Sachen, so gut du kannst:

  • Was ist der Zweck der Szene?
  • Welche interessanten Dinge werden gleich passieren?

Die erste Frage ist extrem wichtig, denn je klarer du weißt, was der Zweck einer Szene ist, umso leichter kannst du feststellen, wann die Szene vorbei ist. Eine gute Szene dreht sich darum, einen bestimmten Konflikt zu lösen oder ein bestimmtes Ziel zu erreichen – wenn die SCs ihre Anstrengungen beendet haben, dann ist die Szene vorbei, egal, ob sie Erfolg hatten oder nicht. Wenn deine Szene keinen klaren Zweck hat, dann gehst du das Risiko ein, dass sie sich länger hinzieht, als du willst, was deine Sitzung deutlich verlangsamen kann.
Meistens werden dir die Spieler sagen, was der Zweck der Szene ist, weil sie dir ohnehin erzählen, was sie als nächstes tun und was sie damit erreichen wollen. Wenn sie also sagen, „Gut, wir gehen zum geheimen Unterschlupf des Diebes, um zu sehen, ob wir ihn irgendwie anschwärzen können,” dann weißt du, was der Zweck der Szene ist – sie ist vorbei, wenn die Spieler etwas gefunden haben oder wenn sie in eine Situation kommen, in der es unmöglich ist, noch etwas herauszufinden.
Manchmal werden sie dabei aber ziemlich ungenau sein. Wenn du aus dem Kontext nicht intuitiv verstehen kannst, was sie vorhaben, dann stell Fragen, bis sie ihre Ziele klar ansagen. Wenn ein Spieler also sagt, „In Ordnung, ich gehe in die Taverne, um mich mit meinem Kontakt zu treffen”, dann ist das ein bisschen vage – du weißt, dass es ein Treffen geben wird, aber du weißt vielleicht nicht, warum. Du könntest fragen, „Was willst du herausfinden? Hast du schon einen Preis für die Informationen ausgehandelt?” oder eine andere Frage stellen, die dir dabei hilft, den Spieler dazu zu bringen, festzulegen, was er eigentlich will.
Manchmal wirst du den Zweck einer Szene selbst bestimmen müssen, wie zum Beispiel zu Beginn eines neuen Szenarios oder in der Szene direkt nach einem Cliffhanger. Wenn du das tun musst, versuch einen Blick auf die Handlungsfragen zu werfen, die du vorher festgelegt hast, und eine Situation einzuführen, die direkt dazu beiträgt, sie zu beantworten. Das heißt, dass du die Geschichte immer vorantreibst, wenn es deine Aufgabe ist, eine Szene zu beginnen.

Sabine hat die vorherige Sitzung der Geschichte ihrer Gruppe mit einem Cliffhanger beendet: Mit der Offenbarung, dass Cyneres geheimnisvoller Auftraggeber ein Agent des Kults der Stille und das Juwel eine wichtige Komponente in einem mysteriösen Ritual ist. Außerdem ist Zird gerade mitten im wichtigsten Prozess seines Lebens und die Collegia haben entdeckt, dass das Juwel verschwunden ist.
Jetzt denkt Sabine darüber nach, wie sie beim nächsten Mal anfangen will. Die ganze Situation scheint die Spieler wirklich zu beunruhigen. Das will sie ausnutzen. Sie denkt, dass Lilia zurückkehren sollte – sie ist verwirrt, was Cyneres Rolle bei dem Diebstahl angeht, und bereit, zu kämpfen. Die Szene soll zum Ziel haben, mit Lilia zu einer Übereinkunft zu kommen und festzustellen, dass sie mehr oder weniger auf der gleichen Seite stehen.

Die zweite Frage ist nicht minder wichtig: Du willst eine Szene beginnen, direkt bevor etwas Interessantes passieren wird. Fernsehserien und Filme sind besonders gut, was das angeht – normalerweise schaust du eine Szene nicht wirklich länger als 30 Sekunden an, ehe etwas passiert, dass die Situation verändert oder durcheinander bringt. Wenn du einsteigst, kurz bevor etwas Neues, Aufregendes passiert, kannst du das Tempo deiner Sitzung hoch halten und verlierst somit die Aufmerksamkeit der Spieler nicht. Du willst nicht jeden Moment ausspielen, in dem die Spieler ihr Zimmer in der Herberge verlassen, um zwanzig Minuten durch die Stadt zum Unterschlupf des Diebes zu wandern – das ist eine Menge Spielzeit, in der nichts Interessantes passiert. Stattdessen beginnst du die Szene, wenn sie am Unterschlupf ankommen, die fürchterlich komplizierte Reihe von Schlössern anstarren, die er an seiner Tür angebracht hat, und ihr Pech verfluchen.
Wenn du diese Frage nicht richtig beantworten kannst, dann überlege dir, was das Erreichen des Ziels kompliziert machen könnte oder mach den Zweck der Szene selbst problematisch. Du kannst auch die Ninja-Trick-Methode verwenden, die wir vorher erwähnt haben, damit die Spieler dir dabei helfen, herauszufinden, welche interessanten Sachen passieren könnten.

Sabine beginnt die Szene mit Cynere und Landon, die spät in der Nacht zurück zu ihrer Unterkunft gehen und in ein Gespräch über die jüngsten Ereignisse vertieft sind. Dominik schlägt vor, dass sie nicht mehr in einer Taverne schlafen – nicht nach dem Diebstahl. Er geht davon aus, dass jeder – von den Collegia-Zauberern bis zum Kult der Stille – auf der Suche nach Cynere sein wird, also haben sie sich an einem sicheren Ort versteckt.
Entsprechend überrascht sind sie natürlich, als sie durch die Tür kommen und sofort von drei bewaffneten Fremden überfallen werden. „Hey!”, sagt Anne. „Woher wussten die denn, dass wir hier sein würden?”
„Schwer zu sagen”, antwortet Sabine und wirft den beiden jeweils einen Fate-Punkt zu. „Aber das hier ist ein Zentrum des Handels, Ort des Lasters“.
„Auch wieder wahr“, sagt Dominik. Sie nehmen beide den Fate-Punkt für den gereizten Aspekt an.
„Cynere, du betrittst gerade deinen Unterschlupf, als eine vermummte Gestalt dir ein Schwert an die Kehle hält. Die Kapuze verschwindet – es ist Lilia! Und sie ist richtig sauer. ‚Wo ist das Juwel, du Kultistenschwein?‘”

Wenn du mit einen klaren Zweck in die Szene gehst und anfängst, direkt bevor etwas Bedeutendes passiert, dann kannst du nicht viel falsch machen.

Szenen beenden

Du kannst Szenen genauso beenden, wie du sie anfängst, aber umgekehrt: Sobald der Zweck einer Szene erfüllt ist und nachdem alle interessanten Sachen passiert sind, beende die Szene schnell.
Das ist effektiv, weil es hilft, das Interesse an der nächsten Szene aufrecht zu erhalten. Auch das siehst du die ganze Zeit in guten Filmen – eine Szene endet normalerweise, wenn ein Teil der Handlung aufgelöst worden ist, es aber noch ein paar ungeklärte Angelegenheiten gibt. Genau dahin schneiden sie als nächstes.
Viele deiner Szenen werden auf dieselbe Weise enden. Die SCs gewinnen einen Konflikt oder erreichen ein Ziel, aber wahrscheinlich wird es noch etwas geben, was sie danach tun wollen – über das Ergebnis sprechen, herausfinden, was als nächstes zu tun ist, und so weiter.
Statt in der Szene zu verweilen, solltest du vorschlagen, dass sie mit der nächsten weitermachen, die eine der unbeantworteten Fragen aus der aktuellen Szene aufgreift. Versuch, sie dazu zu bringen, dir zu sagen, was sie als nächstes tun wollen. Dann geh zurück zu den Fragen, die du dir zum Beginn einer Szene stellst (wie oben erklärt) – was ist der Zweck der nächsten Szene? Was ist der nächste interessante Handlungsteil? Dann spring direkt rein.
Du solltest dich aber zurückhalten, wenn du merkst, dass die Spieler ihre Interaktionen wirklich, wirklich genießen. Manchmal wollen sich die Spieler einfach in der Rolle ihrer Charaktere unterhalten und ein bisschen quasseln. Solange sie Spaß daran haben, ist das prima. Wenn du allerdings siehst, dass das Interesse nachlässt, dann ergreife die Gelegenheit, dich wieder dazwischen zu schieben und nach der nächsten Szene zu fragen.

Benutz die Grundgedanken (Kompetenz, Eigeninitiative, Dramatisches Potential)

Wenn du darüber nachdenkst, was in einer Szene passieren sollte, denk an die grundlegenden Ideen von Fate, über die wir in der Spielgestaltung gesprochen haben – Kompetenz, Aktivität und Drama.
Mit anderen Worten, frage dich, ob deine Szene mindestens eines der folgenden Dinge tut:

  • Sie gibt den SCs die Chance, zu zeigen, was sie gut können – entweder indem sie gegen Gegner antreten, die keine Chance gegen sie haben, oder indem sie die Gelegenheit bekommen, ihr Können gegen würdige Gegner zu beweisen.
  • Sie gibt deinen SCs die Chance, etwas zu tun. Das solltest du mit einem einfachen Verb beschreiben können, das Aktivität ausdrückt. „Versuchen, Informationen zu sammeln” ist beispielsweise zu vage. „In das Haus des Bürgermeisters einbrechen” ist greifbar und spezifisch. Beachte, dass die Aktion nicht körperlich sein muss – „Den Spitzel zum Reden bringen” ist auch eine klare Aktion.
  • Sie erschafft eine Komplikation für die SCs oder stellt sie vor eine schwierige Wahl. Am besten funktioniert das, wenn du einen Aspekt reizen kannst, aber wenn die Situation problematisch genug ist, brauchst du das vielleicht gar nicht.

Cyneres erster Impuls ist es, herauszufinden, wovon Lilia spricht – aber Sabine weiß, dass Landons Impulse ein wenig… gewalttätiger sind.
„Genug geredet!“, ruft Dominik.
„Aber wir haben gerade erst angefangen zu reden“, sagt Anne.
„Trotzdem! Warum reden? Kaputtschlagen ist immer eine Lösung!“

Dominik streckt die Hand aus. Sabine gibt ihm einen Fate-Punkt, weil er seinen Aspekt gereizt hat.

Pack sie bei den Aspekten

Du kannst auch einen Blick auf die Aspekte der SCs zu werfen, um herauszufinden, welche Handlung in der nächsten Szene interessant ist. Führ eine Komplikation ein oder reize einen Aspekt ereignisbasiert. Das funktioniert besonders bei den SCs, deren Aspekte nicht ins Spiel gekommen sind, als du das Problem für dein Szenario erstellt hast. Damit können sie ein bisschen ins Rampenlicht treten, auch wenn sich die allgemeine Geschichte nicht auf sie konzentriert.

Die Szene beginnt mit dem großen Prozess. Zird steht vor einem Ausschuss der Zauberer in der Großen Halle der Collegia Arcana. Während sie ihn mit Fragen löchern, kommt ab und zu von den Zauberern auf der Galerie ein unfreundlicher Kommentar, eine Beleidigung oder eine kritische Bemerkung – alle an Zird gerichtet. Es geht zu wie bei einer unruhigen Sitzung im Britischen Parlament. Cynere und Landon stehen auf der Galerie und folgen den Ereignissen, so gut sie eben können.
Sabine wendet sich an Anne: „Du willst sie damit durchkommen lassen, dass sie deinen Freund so behandeln?”
„Du hast recht! Ich halt es nicht mehr aus!”, sagt Anne. “ Rückendeckung für Zird!“
Cynere steht auf und ruft dem Richter zu: „Hey, du willst jemanden für Verbrechen gegen die Schöpfung vor Gericht stellen? Wie wäre es mit deiner Mutter, du hässlicher Vogel?”
Sabine wirft Anne einen Fate-Punkt zu. „Nett.”